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Zwei Jahre Plattform

  Zukunft Psychiatrie

 

Vor mehr als zwei Jahren hat sich die Plattform Zukunft Psychiatrie, ein Zusammenschluss von Organisationen, Initiativen von Psychiatrieerfahrenen Menschen und Professionist*innen in der Begleitung, Behandlung und Betreuung von Menschen mit psychischen Erkrankungen gegründet. Auf Basis des damals entwickelten Positionspapiers setzt sich die Plattform für die Weiterentwicklung und Verbesserung der sozialpsychiatrischen Versorgung in Wien ein.

 

Neben den regelmäßig stattfindenden Austauschtreffen der Mitglieder wurde in Arbeitsgruppen an konkreten und rasch umsetzbaren Vorschlägen zur Verbesserung der Situation gearbeitet. Die daraus entstandenen Konzepte wurden in Entscheidungsgremien getragen und in mittlerweile drei Veranstaltungen der interessierten Öffentlichkeit präsentiert und zur Diskussion gestellt.

 

Mitarbeit am Konzept „Raum Dazwischen“

 

Der Dachverband Wiener Sozialeinrichtungen (DWS) widmet sich seit einigen Jahren verstärkt den Schnittstellen, Übergängen und der Zusammenarbeit zwischen der Betreuung in seinen Mitgliedorganisationen sowie dem ambulanten und stationären Gesundheitsbereich. Vertreter*innen von Mitgliedsorganisationen des DWS wie Caritas Wien, LOK, neunerhaus etc., FSW, PSD, WiGEV, Erfahrungsexpert*innen und unserer Plattform haben im Rahmen der DWS-AG Ergänzende Angebote zur Psychiatrie ihre dringendsten Anliegen in Bezug auf die Zusammenarbeit und die direkten Auswirkungen auf die Versorgung von Menschen eingebracht und diskutiert. Der in Folge gemeinsam erarbeitete und im DWS verschriftlichte Konsens findet sich im Vorschlag und Konzept „Raum Dazwischen“ wieder.

 

In Rahmen dieses Konzepts soll Menschen in Krisen ein geschützter Ort außerhalb der stationären Psychiatrie und je nach Bedarf Raum für Abklärung und ggf. Weitervermittlung, Krisenbewältigung und Stabilisierung geboten werden.

 

AG Peerausbildung

 

Für die Plattform ist die Einbindung von Peer Mitarbeiter*innen in die Behandlung, Betreuung und Unterstützung von Menschen mit psychischen Erkrankungen eine unerlässliche Notwendigkeit. Peer Mitarbeiter*innen sind Menschen mit persönlicher Erfahrung psychischer Erkrankung. Ihr reflektiertes Erfahrungswissen steigert die Qualität bestehender Angebote auf drei Ebenen:

  • In der direkten Zusammenarbeit mit Menschen mit psychischer Erkrankung

  • Bei der Qualitätssicherung und interdisziplinären Zusammenarbeit

  • Bei der Entwicklung neuer Angebote

 

Die Integration von Peer-Arbeit entspricht europäischen Best-Practice Modellen.

 

Im Hinblick auf die Herausforderungen in der interdisziplinären Zusammenarbeit im Gesundheits- und Sozialbereich in Wien sowie den Handlungsfeldern wie z.B. Psychiatrie, Wohnungslosenhilfe oder Behindertenhilfe in Wien, hat die Arbeitsgruppe ein Ausbildungskonzept erarbeitet. Im Rahmen des Dachverbands Wiener Sozialeinrichtungen wird die Diskussion darüber nicht zuletzt mit dem Fonds Soziales Wien fortgesetzt, der ja bereits eine Peerausbildung in der Wiener Wohnungslosenhilfe finanziert und die Einbindung von Peers in die Teams der Wohnungslosenhilfe finanziell unterstützt. Nun geht es darum zu klären, wie auch für andere Anspruchsgruppen Peerausbildungen zugänglich gemacht werden können.

 

AG Peerberatung

 

Peerberatung ist eine Form der Beratung, bei der Personen mit ähnlichen Erfahrungen sich gegenseitig unterstützen und beraten. Diese Form der Beratung basiert auf der Idee, dass Menschen mit ähnlichen Erfahrungen, Herausforderungen oder in ähnlichen Lebensumständen, einander verstehen und unterstützen können.

Im Austausch mit unterschiedlichen Peer-Beratungsstellen hat sich die Arbeitsgruppe Informationen über deren Erfahrungen eingeholt. Ein konkretes Konzept für eine Peer-Beratungsstelle für Menschen mit psychischen Erkrankungen erfolgt unter Mitwirkung der für die Beratungsstelle vorgesehenen Mitarbeiter*innen.    

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AG aktuelle Probleme

 

Anhand konkreter Beispiele in der psychiatrischen Behandlung hat sich die AG mit positiven und negativen Interventionen beschäftigt. Vor allem die Zusammenarbeit von Schnittstellen wie z.B. stationärer Psychiatrie – PSD – Betreuungsorganisationen sowie an der Versorgung beteiligten Organisationen wie Polizei, Rettung, Kinder- und Jugendhilfe zeigen die unterschiedliche Qualität von Interventionen. Förderliche und hinderliche Aspekte in der Unterstützung von Menschen mit psychischen Erkrankungen wurden herausgearbeitet und werden den betroffenen Stellen rückgemeldet.

 

AG Persönliche Assistenz

 

Menschen mit psychischen Erkrankungen sind in Wien derzeit von der Leistung Persönliche Assistenz ausgeschlossen. Die Arbeitsgruppe zu diesem Thema hat ein Grundsatzpapier erstellt, in dem festgehalten wird, warum das Angebot Persönliche Assistenz bei vielen Menschen mit psychischen Erkrankungen eine sinnvolle Leistung wäre. Abgesehen davon ist es menschenrechtlich geboten, allen Menschen mit Behinderungen diese Leistung zugänglich zu machen. Der Ausschluss von der Leistung spiegelt nicht zuletzt auch das Stigma gegenüber Menschen mit psychischen Erkrankungen, denen nicht die Kompetenz zugetraut wird, selbst zu entscheiden, was ihnen guttut und welche Unterstützung sie benötigen.

 

AG Öffentlichkeitsarbeit

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Die AG beschäftigt sich damit wie Themen der Plattform einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden können. Veranstaltungen, in denen inhaltliche Entwicklungen in der psychiatrischen Versorgung präsentiert werden und Raum für Diskussion gegeben ist, werden vorbereitet und umgesetzt.

 

Was ist aus den Überlegungen geworden?

 

Die Plattform Zukunft Psychiatrie ist im Board Psychische Gesundheit, einem strukturierten Austauschforum im Dachverband Wiener Sozialeinrichtungen mit wesentlichen Entscheidungsträgern (WiGeV, PSD, Stadtratbüro, FSW, PPV, MA 24) vertreten Die Plattform hat im Board mehrere Themen eingebracht:

 

Das Konzept „Raum Dazwischen“ wurde im Board besprochen und von den Teilnehmer*innen positiv beurteilt. Der Dachverband hat das Konzept an Stadtrat Hacker übermittelt, der die Umsetzung des Konzeptes befürwortet hat. Das Stadtratbüro hat zur weiteren Bearbeitung an den Fonds Soziales Wien verwiesen.

 

Als eine weitere Alternative zur Unterbringung in einer stationären Psychiatrie wurde das Konzept der Soteria im Board eingebracht. Das Konzept der Soteria wurde im Rahmen einer Plattform-Veranstaltung einer breiteren Öffentlichkeit vorgestellt.

 

Entgegen bereits abgeschlossen Verhandlungen zum Beitritt der Stadt Wien zur Bundesrichtlinie Persönliche Assistenz zwischen Wien und dem Bund hat Stadtrat Hacker die Unterschrift verweigert. Eine Ausweitung des Angebots der Persönlichen Assistenz auf alle Menschen mit Behinderungen gibt es in Wien deshalb vorerst nicht.

 

Die Plattform begrüßt die im Rahmen des PPV neu entwickelten Regionalversorgungsplattformen, einem regelmäßig stattfindenden Austauschtreffen in den Versorgungsregionen. Die Plattform Zukunft Psychiatrie möchte sich zukünftig verstärkt in die Regionalversorgungs-plattformen mit den Ergebnissen aus der AG aktuelle Probleme einbringen, positive Entwicklungen verstärken und an Verbesserungen weniger gelungener Interventionen mitarbeiten.

 

Großen Zuspruch mit jeweils rund 150 Teilnehmer*innen hatten die 3 von der Plattform durchgeführten Veranstaltungen.

 

In der Veranstaltung „Alternativen zur stationären Psychiatrie“ im Juni 2024 erzählte Will Hall, ein Erfahrungsexperte aus den USA und engagierter Vertreter des Genesungsansatzes über seine Erfahrungen in der stationären Psychiatrie, seinen anschließenden Weg der Reduktion bzw. Absetzung von Psychopharmaka und der Auseinandersetzung mit ganzheitlicher Gesundheitsfürsorge und Peer-Beratung. In der anschließenden Diskussion mit Publikumsbeteiligung wurde die Thematik aus unterschiedlichen Sichtweisen beleuchtet.

 

Die zweite Veranstaltung der Plattform im November 2024 widmete sich dem Thema „Menschenrechtsbasierte Psychiatrie – neue Konzepte für einen Paradigmenwechsel“. Vorträge von Florian Wostry und Philipp Kernmayer beschäftigten sich mit den Zielen der UN-Behindertenrechtskonvention, Safewards zur Zwangsmaßnahmenreduktion, den S3-Leitlinien – beruhend auf systematischer Recherche, wissenschaftlich bewerteter Evidenz und strukturiertem Konsensverfahren, sowie der Arbeitsweise von EMPOWERMENTE -  der Affektresonanz-Therapie. In drei Workshops wurden die Inhalte der Vorträge vertieft bearbeitet.

 

Die Veranstaltung im Juni 2025 widmete sich dem Konzept der Soteria. Mitarbeiter*innen der Soteria Berlin (Dr. Martin Voss, Götz Strauch und Sibylla Endres) stellten das Konzept einer alternativen stationären Behandlung von Menschen in psychotischen Krisen, basierend auf einem milieutherapeutischen Ansatz mit Verzicht neuroleptischer Medikation vor. In der dem Vortrag anschließenden Diskussion mit Vertreter*innen von WiGeV, PSD, Erfahrungsexpert*innen und Vertreter*innen der Plattform wurde auch explizit die Frage nach der Umsetzung in Wien gestellt.

 

Die große Anzahl der Personen an den regelmäßigen Austauschtreffen der Plattform, die Bereitschaft sich an Arbeitsgruppen aktiv zu beteiligen und die hohen Teilnehmer*innenzahlen an den Veranstaltungen belegen das Interesse, sich mit der psychosozialen Versorgung in Wien kritisch auseinanderzusetzen und an einem integrierten Behandlungs- und Betreuungsangebot mit alternativen Angeboten und Methoden zu arbeiten.

 

Die Plattform wird weiterhin alternative Konzepte und Methoden im Board Psychische Gesundheit einbringen und auf deren Umsetzung drängen. Die Plattform wird sich zukünftig verstärkt in den Regionalversorgungsplattformen engagieren und in Veranstaltung Themen der psychosozialen Versorgung aufgreifen und zur Diskussion stellen.

 

Aktuell arbeitet die AG Öffentlichkeitsarbeit an der Vorbereitung einer Veranstaltung zur Kinder- und Jugendpsychiatrischen Versorgung in Wien.

 

Wien, August 2025

Ein Jahr Plattform
Zukunft Psychiatrie

Ziemlich genau vor einem Jahr im März 2023 hat die Plattform Zukunft Psychiatrie ihr Positionspapier an den Stadtrat für Gesundheit und Soziales Peter Hacker übermittelt. Aus unserer Sicht ein guter Zeitpunkt, ein erstes Resümee zu ziehen.

 

Insgesamt war die Reaktion auf die Gründung der Plattform Zukunft Psychiatrie und das fundierte Positionspapier außerordentlich positiv. Die im Positionspapier vorgelegte Analyse wird von vielen im Bereich der psychiatrischen Versorgung tätigen Menschen geteilt und unterstützt. Das zeigt sich nicht zuletzt darin, dass im vergangenen Jahr weitere Organisationen Mitglied der Plattform Zukunft Psychiatrie wurden. Darunter mit Jugend am Werk und der Wiener Sozialdienste Alten- und Pflegedienste GmbH z.B. zwei sehr große Organisationen in der psychosozialen Versorgung von Menschen unserer Stadt.

 

Das Büro von Stadtrat Peter Hacker hat sich relativ rasch nach Übermittlung des Positionspapiers gemeldet und die Plattform zu einem Termin eingeladen, der von der Geschäftsführerin des Dachverbands Wiener Sozialeinrichtungen Sandra Frauenberger koordiniert wurde. An diesem Termin Anfang April 2023 nahmen neben Peter Hacker Vertreter*innen aller relevanten Organisationen der sozialpsychiatrischen Versorgung in Wien sowie Vertreter*innen der im Dachverband Wiener Sozialeinrichtungen organisierten Organisationen teil [1]. Die Sprecher*innen der Plattform Zukunft Psychiatrie hatten die Möglichkeit ihre Anliegen zu formulieren, die anderen Teilnehmer*innen nahmen darauf Bezug, erläuterten ihre Sicht der Dinge und berichteten von Herausforderungen und Planungen in ihren Organisationen. Schließlich ersuchte Stadtrat Hacker den Dachverband Wiener Sozialeinrichtungen regelmäßig Treffen in dieser Zusammensetzung zu organisieren und so einen kontinuierlichen Austausch zwischen allen Beteiligten in der sozialpsychiatrischen Versorgung sicherzustellen.

 

Über den Sommer 2023 wurden im Rahmen der Plattform Zukunft Psychiatrie mehrere Arbeitsgruppen installiert, die sich – nicht zuletzt auch im Hinblick auf die weitere Zusammenarbeit mit den anderen Playern im Dachverband – mit folgenden Themen beschäftigten:

  • Ausbildung von Peers

  • Ergänzende Angebote zur stationären Psychiatrie

  • Konzeption einer Peerberatungsstelle

 

Die Arbeit in den Arbeitsgruppen , aber auch die regelmäßigen – alle sechs Wochen stattfindenden – Treffen der gesamten Plattform Zukunft Psychiatrie haben gezeigt, wie wertvoll die Vernetzung für alle Beteiligten ist. Die Diskussion zwischen Vertreter*innen der verschiedensten Organisationen und Berufsgruppen, sowie Erfahrungsexpert*innen ist sehr fruchtbar und anregend. Alleine der Austausch untereinander eröffnet neue Perspektiven und fördert das Verständnis untereinander.

 

Im Herbst 2023 und im Jänner 2024 traf sich das von Stadtrat Hacker eingerichtete und vom  Dachverband Wiener Sozialeinrichtungen koordinierte Board Psychische Gesundheit [2]. Aufgabe dieses Boards soll es sein, die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Stakeholdern im Bereich der Psychiatrischen Versorgung zu verbessern und gemeinsame Vorhaben zu diskutieren und in die Umsetzung zu bringen. Im Rahmen dieses Boards wurden zwei Arbeitsgruppen eingerichtet, die sich mit von der Plattform Zukunft Psychiatrie entwickelten Kurzkonzepten zu ergänzenden Angeboten zur stationären Psychiatrie und dem Thema Ausbildung für Peers beschäftigen.

 

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass es gelungen ist, die Verantwortlichen auf die Anliegen der PlattformZukunft Psychiatrie aufmerksam zu machen. Mit dem Board Psychische Gesundheit wurde ein Forum etabliert, in der ein strukturierter Austausch aller relevanten Interessensgruppen möglich ist. Wir sehen das als einen ersten und wichtigen Erfolg unserer Bemühungen, wiewohl uns natürlich bewusst ist, dass damit noch lange nicht gesagt ist, dass dieser Austausch auch zu sichtbaren Konsequenzen führt.

 

Neben der Beteiligung am Board Psychische Gesundheit und der inhaltlichen Weiterarbeit an konkreten Konzepten möchte die Plattform Zukunft Psychiatrie in den nächsten Monaten den Diskurs zur Weiterentwicklung der Psychiatrischen Versorgung auch an die interessierte Öffentlichkeit herantragen.

Am 10.06. wird es dazu die erste Veranstaltung geben – Einladung folgt ...

 

[1] Vertreten waren: WIGEV, PSD, Psychiatriekoordination, PPV, FSW, Dachverband Wiener Sozialeinrichtungen, MA 24, Vertreter*innen von Organisationen der Flüchtlings-, Wohnungslosen- und Behindertenhilfe, Wiener Sucht- und Drogenhilfe sowie dem Bereich der Pflege.

[2] Im Board sind neben Vertreter*innen der Plattform die in der Fußnote 1 genannten Organisationen – abgesehen von der MA24 – vertreten.

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