Das Problem
Die Plattform Zukunft Psychiatrie ortet eine sich schon länger anbahnende Krise der psychosozialen Versorgung in Wien, die sich zunehmend zuspitzt. Es gibt kein gemeinsam entwickeltes, integriertes psychosoziales Versorgungssystem bestehend aus ambulanten, aufsuchenden und stationären Angeboten mit therapeutischem und rehabilitativem Fokus. Probleme in der Qualität und in den Schnittstellen, aber auch in sozialpsychiatrischen Grundhaltungen sind erkennbar. Dies äußert sich z.B. in einer Zunahme der sog. „Drehtürpsychiatrie“, also häufigen kurzen stationären Aufenthalten mit unzureichender Stabilisierung.
Die qualitative und quantitative Unterversorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen betrifft aber nicht nur die Akutpsychiatrie, sondern auch die ambulante Behandlung, Begleitung und Betreuung in Ambulanzen und Tageskliniken, in Psychotherapie und Rehabilitation. Neben den unmittelbaren Risiken und negativen Folgen für Menschen mit psychischen Erkrankungen hat die Unterversorgung auch negative Auswirkungen für deren Wohnsituation, Betreuung, Begleitung und Beschäftigung und für deren Angehörige. Menschen mit psychischen Erkrankungen erleben sich im Rahmen ihrer Behandlung oft vorwiegend als Objekte. Denn im Vordergrund stehen von Institutionen vorgegebene Behandlungsabläufe, an die sich die Patient*innen anpassen müssen. Erfahrungsexpert*innen, Angehörige und Betreuungspersonen werden in Planungs- und Betreuungsprozesse in zu geringem Maße einbezogen. Wenn sie einbezogen werden, findet ihre Expertise oft wenig Berücksichtigung.
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Der psychosoziale und psychiatrische Bereich verliert auch zunehmend an Attraktivität als Arbeits- und Ausbildungsort. Neben Ressourcenmangel und strukturellen Problemen ist dies auch der fehlenden Förderung von integrierten Behandlungs- und Betreuungssystemen und damit zusammenhängend fehlenden beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten geschuldet.